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Re­ge­lungs­ab­re­de wie Be­triebs­ver­ein­ba­rung künd­bar

Die Kün­di­gung ei­ner Re­ge­lungs­ab­re­de ist wie bei ei­ner Be­triebs­ver­ein­ba­rung mög­lich: Lan­des­ar­beits­ge­richt Köln, Be­schluss vom 07.10.2011, 4 TaBV 52/11
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13.03.2012. Be­triebs­rat und Ar­beit­ge­ber kön­nen Ver­ein­ba­run­gen nicht nur durch ei­ne förm­li­che Be­triebs­ver­ein­ba­rung, son­dern auch durch ei­ne form­lo­se Re­ge­lungs­ab­re­de ("Re­ge­lungs­ab­spra­che") tref­fen. Ei­ne Re­ge­lungs­ab­re­de kön­nen Be­triebs­rat und Ar­beit­ge­ber z.B. tref­fen, wenn sie die Frei­stel­lung von Be­triebs­rats­mit­glie­dern in ei­ner vom Ge­setz (§ 38 Be­triebs­ver­fas­sungs­ge­setz (Be­trVG)) ab­wei­chen­den Wei­se re­geln wol­len.

Frag­lich ist dann aber, wie ei­ne Re­ge­lungs­ab­re­de ge­kün­digt wer­den kann. Für Be­triebs­ver­ein­ba­run­gen be­steht ei­ne ge­setz­li­che Re­ge­lung. Ihr zu­fol­ge kann ei­ne Be­triebs­ver­ein­ba­rung mit ei­ner Frist von drei Mo­na­ten ge­kün­digt wer­den (§ 77 Abs.5 Be­trVG). Aber gilt die­se Drei-Mo­nats-Frist auch für die im Ge­setz nicht er­wähn­ten Re­ge­lungs­ab­re­den? Das Lan­des­ar­beits­ge­richt (LAG) Köln meint ja: Be­schluss vom 07.10.2011, 4 TaBV 52/11.

Können Re­ge­lungs­ab­re­den or­dent­lich gekündigt wer­den und wenn ja mit wel­cher Kündi­gungs­frist?

Be­triebs­ver­ein­ba­run­gen gel­ten un­mit­tel­bar und zwin­gend, d.h. wie ein Ge­setz für al­le Ar­beit­neh­mer des Be­trie­bes (§ 77 Abs.4 Be­trVG). We­gen die­ser weit­ge­hen­den recht­li­chen Wir­kung können Be­triebs­rat und Ar­beit­ge­ber ei­ne Be­triebs­ver­ein­ba­rung nur schrift­lich tref­fen (§ 77 Abs.2 Be­trVG).

An­ders ist das bei Re­ge­lungs­ab­re­den. Sie sind "form­los" möglich und müssen nicht ein­mal aus­drück­lich ab­ge­spro­chen wer­den. Es genügt, wenn sich bei­de Sei­ten so ver­hal­ten, dass auf ei­ne ge­mein­sa­me Ver­ein­ba­rung ge­schlos­sen wer­den kann, d.h. durch „schlüssi­ges“ bzw. „kon­klu­den­tes“ Ver­hal­ten. Die Re­ge­lungs­ab­re­de wird im Be­trVG zwar nicht aus­drück­lich erwähnt, ist aber von der Recht­spre­chung an­er­kannt. An­ders als ei­ne Be­triebs­ver­ein­ba­rung wirkt ei­ne Re­ge­lungs­ab­re­de nicht ge­set­zes­gleich ("un­mit­tel­bar und zwin­gend") auf die Ar­beits­verhält­nis­se der Be­triebs­an­gehöri­gen ein, son­dern hat nur zwi­schen Be­triebs­rat und Ar­beit­ge­ber Gel­tung - wie ein Ver­trag.

Re­ge­lungs­ab­re­den sind sinn­voll, um ei­ne ra­sche Ei­ni­gung her­bei­zuführen, und sie bie­ten sich an, wenn sie nur An­ge­le­gen­hei­ten be­tref­fen, die das Verhält­nis von Ar­beit­ge­ber und Be­triebs­rat be­tref­fen, wie z.B. die Fra­ge, wie vie­le Be­triebs­rats­mit­glie­der von der Ar­beit frei­ge­stellt wer­den sol­len.

Al­ler­dings ent­hal­ten § 37 Abs.2 Be­trVG und § 38 Be­trVG kon­krte Re­ge­lun­gen darüber, wie vie­le Be­triebs­rats­mit­glie­der je nach An­zahl der Beschäftig­ten im Be­trieb frei­ge­stellt wer­den müssen. Zwar er­laubt § 38 Abs.1 Satz 5 Be­trVG, von die­sen ge­setz­li­chen Vor­ga­ben ab­zu­wei­chen, aber dafür ist ei­gent­lich ein Ta­rif­ver­trag oder ei­ne Be­triebs­ver­ein­ba­rung er­for­der­lich.

Frag­lich ist, ob Ar­beit­ge­ber und Be­triebs­rat ei­ne vom Ge­setz ab­wei­chen­de Frei­stel­lung von Be­triebs­rats­mit­glie­der auch per Re­ge­lungs­ab­re­de ver­ein­ba­ren können, und wel­che Kündi­gungs­frist dann für ei­ne sol­che Re­ge­lungs­ab­re­de gilt.

LAG Köln: Re­ge­lungs­ab­re­den über die Frei­stel­lung von Be­triebs­rats­mit­glie­dern können wie ei­ne Be­triebs­ver­ein­ba­rung gekündigt wer­den

Ei­ne Luft­fahrt­ge­sell­schaft sag­te ih­rem Be­triebs­rat in ei­nem Schrei­ben zu, dass selbst dann zwei Be­triebs­rats­mit­glie­der frei­ge­stellt wer­den, wenn die Beschäftig­ten­zahl un­ter den dafür im Be­trVG vor­ge­se­he­nen Wert sin­ken soll­te. Als der Be­triebs­rat die­se ihm zu­ge­sag­te Möglich­keit erst­mals nut­zen woll­te, kündig­te das Un­ter­neh­men die Re­ge­lungs­ab­re­de.

Der Be­triebs­rat zog vor Ge­richt und woll­te dar­auf­hin fest­stel­len las­sen, dass wei­ter­hin zwei sei­ner Mit­glie­der frei­ge­stellt wer­den müss­ten. Das Ar­beits­ge­richt Köln (Be­schluss vom 06.04.2011, 7 BV 234/10) und das LAG wie­sen sei­nen An­trag je­doch zurück.

Zwar war die „Zu­sa­ge“ nach An­sicht des LAG Köln ein An­ge­bot für ei­ne zulässi­ge Re­ge­lungs­ab­re­de, das der Be­triebs­rat auch still­schwei­gend an­ge­nom­men hat­te. Der Ar­beit­ge­ber durf­te die Re­ge­lungs­ab­re­de aber wie­der kündi­gen. Und da kei­ne Kündi­gungs­frist ver­ein­bart wor­den war, galt die für die Kündi­gung von Be­triebs­ver­ein­ba­run­gen maßgeb­li­che Drei-Mo­nats-Frist (vgl. § 77 Abs.5 Be­trVG) ent­spre­chend, so das LAG.

Fa­zit: Die Ent­schei­dung ist ver­tret­bar, doch ist die Rechts­la­ge da­mit nicht wirk­lich geklärt, da sich das Bun­des­ar­beits­ge­richt zu die­sen Fra­gen bis­her nicht fest­ge­legt hat. Be­triebsräte soll­ten da­her auf „Num­mer si­cher“ ge­hen und so wich­ti­ge or­ga­ni­sa­to­ri­sche Fra­gen wie die Frei­stel­lung sei­ner Mit­glie­der lie­ber durch ei­ne förm­li­che Be­triebs­ver­ein­ba­rung re­geln.

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Letzte Überarbeitung: 16. Juli 2020

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